Jahresbericht USA 2022

Die USA nahmen 2022 ihre Zusammenarbeit mit internationalen Menschenrechtsinstitutionen nach langer Pause wieder auf. So überprüfte der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung das Land erstmals seit 2014. In seinen abschließenden Bemerkungen bemängelte der Ausschuss unzureichende Fortschritte bei der Bekämpfung von Hassverbrechen, Waffengewalt, übermäßiger Polizeigewalt und Gewalt gegen Frauen.

Willkürliche Inhaftierungen/Guantánamo Bay

Unter Verstoß gegen das Völkerrecht hielt das US-Militär 2022 weiterhin 35 muslimische Männer willkürlich und auf unbestimmte Zeit auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba fest. Trotz der erklärten Absicht der Regierung Biden, das Gefangenenlager zu schließen, gab es diesbezüglich kaum Fortschritte.

Das Regelmäßige Überprüfungsgremium (Periodic Review Board) genehmigte 2022 die Verlegung von neun in Guantánamo Bay inhaftierten Gefangenen. Damit stieg die Zahl derjenigen, deren Verlegung vorgesehen, aber immer noch nicht erfolgt war, auf 20. Einige von ihnen warteten schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf ihre Verlegung. Ein weiterer Gefangener, der sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen bekannt und seine Strafe verbüßt hatte, blieb ebenfalls weiter in Haft. Drei Häftlinge wurden 2022 aus Guantánamo verlegt. Keiner der verbliebenen Gefangenen hatte Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung, und diejenigen, die Folter und andere Misshandlungen durch US-Militärangehörige überlebt hatten, erhielten keinen Zugang zu angemessenen Rehabilitationsmaßnahmen.

Zehn Männer waren weiterhin vor einer Militärkommission angeklagt, was gegen internationales Recht und die Standards für faire Verfahren verstieß. Im Fall einer Verurteilung drohte ihnen die Todesstrafe. Sollte diese in einem Verfahren verhängt werden, das nicht den internationalen Standards entspricht, käme dies einem willkürlichen Entzug des Lebens gleich.

Die Prozesse gegen die Männer, die im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 angeklagt waren, kamen auch 2022 nicht voran, nachdem sie in den vergangenen Jahren immer wieder ausgesetzt worden waren. Die Staatsanwält*innen der Militärkommissionen versuchten mit einigen der Angeklagten Vereinbarungen über Schuldeingeständnisse zu treffen.

Toffiq al-Bihani/Guantánamo

Einer der Inhaftierten ist der Jemenit Toffiq al-Bihani. Er ist seit über 20 Jahren inhaftiert, obwohl gegen ihn keine offiziellen Anklagen vorliegen. Er wurde ursprünglich im Iran festgenommen und Anfang 2002 in Afghanistan an das US-Militär übergeben. Im Gewahrsam der CIA wurde er ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert und misshandelt. Seinen Angaben zufolge wurde er unter anderem fast zehn Tage lang angekettet und in seiner Zelle mit einer Waffe am Kopf mit dem Tod bedroht.

Eine Arbeitsgruppe entschied bereits 2010, das Toffiq al-Bihani freigelassen werden könne, er ist aber immer noch inhaftiert.

Folter und andere Misshandlungen

Mehr als ein Jahrzehnt nach dem geheimen Inhaftierungs- und Verhörprogramm der CIA, das von 2001 bis 2009 autorisiert war, war immer noch niemand für die völkerrechtlichen Verbrechen und systematischen Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und andere Misshandlungen sowie Verschwindenlassen, zur Rechenschaft gezogen worden. Der Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats über die CIA-Folter blieb auch mehrere Jahre nach dem Abschluss der begrenzten Ermittlungen zu diesen Straftaten, die ohne Anklageerhebung endeten, weiter unter Verschluss.

Exzessive Gewaltanwendung

Die Polizei tötete 2022 durch Schusswaffeneinsatz mindestens 1.093 Menschen. Die begrenzten öffentlich zugänglichen Daten legten nahe, dass Schwarze Menschen unverhältnismäßig oft Opfer tödlicher Polizeigewalt wurden.

Das US-Justizministerium dokumentierte die Zahl der in Gewahrsam gestorbenen Personen nicht genau, obwohl ein Gesetz aus dem Jahr 2013 (Death in Custody Reporting Act) dies vorschreibt. Aus einer parlamentarischen Untersuchung ging hervor, dass im Haushaltsjahr 2021 die Zahl der Todesfälle in Gewahrsam und bei Festnahmen um 990 Personen höher lag als zunächst vom Justizministerium angegeben.

Der US-Senat befasste sich 2022 nicht mit dem George Floyd Justice in Policing Act, den das Repräsentantenhaus 2021 gebilligt hatte. Der Gesetzentwurf umfasste zahlreiche Maßnahmen zur Polizeiarbeit und zur Rechenschaftspflicht der Sicherheitskräfte, die während der massiven Proteste im Jahr 2020 gefordert worden waren.

Der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung äußerte sich bei seiner Überprüfung der USA besorgt über die Anwendung von übermäßiger bzw. tödlicher Polizeigewalt gegen ethnische Minderheiten und die anhaltende Straffreiheit für Verstöße der Polizei.

Todesstrafe/Folter

In der Legislaturperiode 2021/22 wurden in mehreren Bundesstaaten und auf Bundesebene Gesetzentwürfe zur Abschaffung der Todesstrafe eingebracht, doch wurde keines der vorgeschlagenen Gesetze verabschiedet.

Im Juli 2022 legte das Berufungsgericht von Oklahoma für 25 der 43 Personen, die in den Todestrakten des Bundesstaats saßen, die Hinrichtungstermine fest. Der Plan sah von August 2022 bis Dezember 2024 fast jeden Monat eine Hinrichtung vor. Oklahoma würde damit 58 Prozent der Todeskandidat*innen des Staates hinrichten. Alabama und South Carolina bemühten sich erneut um die Wiedereinführung von Hinrichtungsmethoden, die nach internationalen Standards als grausam gelten, wie z. B. Gaskammern oder Erschießungskommandos.

San Quentin

Der Staat Kalifornien will den Todestrakt im Staatsgefängnis von San Quentin auflösen und die Verurteilten auf andere Gefängnisse verteilen.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom erklärte die Abschaffung der Todesstrafe bei seinem Amtsantritt 2018 zu einem wichtigen Anliegen, unter anderem in Folge eines Berichtes der National Academy of Science, wonach einer von 25 zum Tode Verurteilten unschuldig sei.

In Kalifornien gab es seit 2006 keine Hinrichtungen mehr, nachdem ein Richter angeordnet hatte, dass man eine „humane Hinrichtungsmethode“ finden müsse, um unnötige Schmerzen der Todeskandidat*innen zu vermeiden.

Im Dezember 2005 war Stanley Williams mit einem Giftcocktail hingerichtet worden und starb nach einem langanhaltenden Todeskampf.

Quellen

Amnesty Journal 05/2022

www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/usa-2022#section-23580993

Amnesty Jounal 03/22 /Briefe gegen das Vergessen 27.01.2022

9. Juni 2024