Jahresbericht Israel und besetzte Gebiete 2018

Die Menschenrechtslage in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten war auch 2018 stark von politischen Konflikten geprägt. Dabei kam es ab März im Zuge einer palästinensischen Kampagne namens „Großer Marsch zurück“ zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und palästinensischen Aufständischen, bei denen die israelischen Sicherheitskräfte mit exzessiver Gewalt gegen die Protestierenden vorgingen. Ende April berichtete AI über mindestens 5500 Verletzte, mindestens 350 davon mit bleibenden Schäden oder Behinderungen, mindestens vier Menschen musste ein Bein abgenommen werden. Die Krankenhäuser in Gaza waren in dieser Zeit überlastet, die Verlegung von dringenden Fällen wurde teilweise behindert, sodass Menschen unnötig Gliedmaßen verloren. Andere haben Schäden durch Tränengas erlitten, das mit Drohnen abgeworfen worden war. Unter den Verletzten waren auch zahlreiche Kinder, außerdem Mitarbeiter des Roten Halbmonds und Journalisten. Mindestens zwei der getöteten Journalisten trugen Schutzwesten, die sie als Journalisten auswiesen. Bis Mai kamen bei diesen Protesten 102 Menschen ums Leben, davon 12 Minderjährige. Mehr als die Hälfte davon starb am 14. Mai. Die hohe Zahl der Toten geht offensichtlich darauf zurück, dass scharfe Munition gegen Unbewaffnete eingesetzt wurde. Israel hatte an der Grenze, wo die Proteste stattfanden, 100 neue Scharfschützen installiert. Manche der protestierenden Palästinensern hatten Steine oder Molotow-Cocktails Richtung Zaun geworfen. Videobeweise zeigen, dass einige von hinten erschossen wurden oder während sie eine Flagge schwenkten, also keine Gefahr darstellten. Die Munition, die offensichtlich verwendet wurde, ist darauf ausgelegt, maximalen Schaden im Körper der Getroffenen anzurichten. Ein UN-Bericht stellte im Februar 2019 fest, dass es bei der Niederschlagung dieser Aufstände zu Kriegsverbrechen gekommen war.

In israelischen Gefängnissen soll es 2018 auch zu Misshandlungen gekommen sein. So war die 16jährige Ahed Tamini, die wegen Beleidigung eines israelischen Soldaten in Haft ist, erschöpfenden Verhören und langwierigen Gefängnistransporten ohne Zugang zu einer Toilette ausgesetzt. AI kritisierte auch ein Programm der israelischen Regierung, afrikanische Flüchtlinge vor die Wahl zu stellen, ob sie „freiwillig“ ausreisen wollen oder für unbestimmte Zeit in Haft kommen. AI hat mehrere Menschen interviewt, die von Israel nach Uganda gebracht worden waren. Allen war versprochen worden, dass sie in Uganda neue Papiere und eine Arbeitsgenehmigung erhalten würden. In der Praxis wurden sie jedoch in Uganda am Flughafen erwartet, die Papiere wurden ihnen genommen und  sie wurden mit einem Taxi in ein Hotel gebracht, wo sie 2-3 Tage bleiben konnten. In einem Fall wurden die Männer jedoch auch 3 Stunden lang geschlagen. Durch die fehlenden Papiere sind sie jederzeit in Gefahr, wegen illegaler Einreise festgenommen und außer Landes verwiesen zu werden. Die Ergebnisse sind in einem Bericht zusammengefasst: Forced and Unlawful: Israel’s Deportations of Eritrean and Sudanese Asylum-Seekers to Uganda.

In diesem Klima wurde auch die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen drastisch erschwert. Im Februar wurde die die Administrativhaft für Salah Hammouri verlängert, der für die palästinensische Menschenrechts-Organisation Addameer Prisoner Support and Human Rights Association arbeitet. Der Landesdirektor von Human Rights Watch, Omar Shakir, wurde im Mai außer Landes verwiesen und mit einem Arbeitsverbot belegt. Der AI-Mitarbeiter Laith Abu Zeyad wurde bei Protesten gegen die Sanktionen in Gaza von palästinensischen Sicherheitskräften festgenommen und mehrere Stunden lang geschlagen, bevor man ihn am nächsten Morgen wieder freiließ. Er gab an, er habe mindestens 18 andere Festgenommene gesehen, denen das Gleiche widerfahren war. Im November enttarnte AI schließlich einen Versuch der israelischen Regierung, Späh-Software auf den Smartphones von AI-Mitarbeitern zu installieren. Dies erschwert die Dokumentation von Folter, Misshandlung und exzessiver Polizeigewalt.

Aktuelle Jahresberichte zu wechselnden Ländern stellen wir jetzt auch im Rahmen von News-Beiträgen vor. Unter Infomaterial finden Sie alle Jahresberichte der Theko gegen die Folter.

5. November 2019